Als Ergänzung zum Kunstfilm-Festival artist films at kino international präsentieren wir in der FAHRBEREITSCHAFT zeitgleich künstlerische Arbeiten, die als Requisiten entweder einen direkten Bezug zum Film haben oder dessen technische Bedingungen thematisieren. Beispiele hierfür sind das Objekt aus dem Film von Markus Schinwald zur Biennale in Venedig (untitled (legs #8), 2009), der Spiegel im Kinoleinwandformat von Morgan Fisher (The aspect ratio pieces – European standard widescreen 1.66:1, 2004) oder der zerschnittene Dracula-Film von Daragh Reeves (Dracula – Tod Browning, 2003).
Sehr nah am Thema Film sind auch die Arbeiten von Isabell Heimerdinger, unter anderem die Arbeit, in der Udo Kier beobachtet wird, während er sich den Film Andy Warhol’s Dracula aus dem Jahr 1974 von Paul Morrissey anschaut, in dem er selbst als Hauptdarsteller mitgespielt hat (I was Andy Warhol’s Dracula, 2000).
Karthik Pandian und Mathias Poledna zerschnitten einen 35-mm-Film und behandeln die einzelnen Bilder (Frames) wie Dias: Sie zeigen diese so extrem verlangsamt, dass nur ein Bild pro Tag zu sehen ist und eine Sekunde Film vierundzwanzig Ausstellungstage in Anspruch nimmt (1991, 2010).
Die Ausstellung zeigt auch Arbeiten, die Geschichten erzählen und Handlungsabläufe chronologisch dokumentieren wie die Arbeit von Rodney Graham, der die Möbel in den Zimmern der Gebrüder Grimm umräumt (Interiors, the Berlin studies of Jacob and Wilhelm Grimm, 1992) oder Telemistica (2000), in der Christian Jankowski eine Wahrsagerin im italienischen Fernsehen zum Erfolg seines neuesten Kunstwerkes befragt, das genau ebendiese Befragung zum Gegenstand hat.
Es sind aber nicht nur geschlossene Handlungsabläufe zu sehen; viele Werke stellen auch Fragen, deren Antwort sich nicht von selbst erschließt: Welche Geschichte steht hinter den rätselhaften Fotos aus dem Vietnam der Siebzigerjahre von Danh Vō (Archive of Dr. Joseph M. Carrier 1962–1973, 2010)? In welchen Sammlungen sind Christopher Williams‘ Fotos von schweizer Stauseen gelandet (Simon Starling, By night the Swiss (…) (after Christopher Williams / after Jean-Luc Godard), 2005)? Woher stammen die Bücher, die Carol Bove aufgestapelt hat (Tower of the prophet, 2002)? Was hat es mit den Briefmarken von Donald Evans auf sich (Tropides islands (A series of three stamps), 1977 und Sabot – Poisonous mushrooms (A series of eight stamps), 1973)? Was ist mit dem Stuhlrahmen passiert, den Wade Guyton bearbeitet hat (Untitled action sculpture (Breuer), 2003)?
Hinter all diesen Fragen verbergen sich Geschichten, für deren Beantwortung Filme „im Kopf“ ablaufen müssen. Um diese Filme „zu sehen“, braucht man also nicht nur Fakten, sondern auch Fantasie; allerdings nicht unbedingt eine halluzinogene Unterstützung wie beim Zusammenbau des Rietveld Stuhls von Johannes Wohnseifer (Psilocybin experience, 2000).
Axel Haubrok
Werkliste
Edgar Arceneaux
Morgan Fisher’s Peugeot, 2006
Cezary Bodzianowski
UFO days, 1999
Carol Bove
Tower of the prophet, 2002
Donald Evans
Tropides islands (A series of three stamps), 1977
Donald Evans
Sabot – poisonous mushrooms (A series of eight stamps), 1973
Morgan Fisher
The aspect ratio pieces – European Standard Widescreen 1.66:1, 2004
Douglas Gordon
Bootleg (Empire), 1998
Rodney Graham
Interiors, the Berlin studies of Jacob and Wilhelm Grimm, 1992
Wade Guyton
Untitled action sculpture (Breuer), 2003
Isabell Heimerdinger
I was Andy Warhol’s Dracula, 2000
Isabell Heimerdinger
Interior #15, 2000
Isabell Heimerdinger
Admit one, 1999
courtesy Mehdi Chouakri, Berlin
Christian Jankowski
Telemistica, 2000
Oliver Laric
Something old, something new, 2014
Jonathan Monk
What remains (A ten-year project), 2013-2022
Jonathan Monk
Tonight before tonight, 2014/2016
Karthik Pandian & Mathias Poledna
1991, 2010
Stephen Prina
Haubrok 1 (Push painting), 2008
Stephen Prina
untitled (Vinyl II), 2000
Daragh Reeves
Dracula – Tod Browning, 2003
Christopher Roth
41°03’59.4”n 8°57’27.9”e (right), 2016
Courtesy Esther Schipper, Berlin
Markus Schinwald
untitled (legs #8), 2009
Simon Starling
By night the Swiss buy cheap-rate electricity from their neighbors which they use to pump water into holding reservoirs. By day they use the stored water to generate hydroelectric power which they then sell back to their neighbors at peak-rate prices (after Christopher Williams / after Jean-Luc Godard), 2005
Danh Vō
20.1.1861 last letter of Saint Théophane Venard to his father before he was decapitated copied by Phung Vo, 2014
Danh Vō
Archive of Dr. Joseph M. Carrier 1962-73, 2010
Christopher Williams
332 min 17 sec, 2003
Johannes Wohnseifer
Psilocybin experience, 2000
David Zink Yi
untitled (deine Hände), 1999