In der Ausstellung Collected Attitudes geht es uns darum, künstlerische Haltungen zu thematisieren und sichtbar zu machen, die sich häufig auch in der Biografie der Künstler ablesen lassen: manche wie Roman Opałka oder Stanley Brouwn setzten ihren einmal eingeschlagenen Weg mit bemerkenswerter Konsequenz ihr Leben lang fort. So hat Stanley Brouwn seit Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit in den Sechzigerjahren sowohl sich und seine Aktivitäten als auch die Welt nach den jeweils gültigen Normen vermessen und beides nebeneinander gestellt (Ein Schritt (Filmsequenz aus Identifications, eine Ausstellung der Fernsehgalerie Gerry Schum) und This way Brouwn, beide 1970). Roman Opałka arbeitete Zeit seines Lebens an einem großen „Zeit“-Projekt, für das er sich unter anderem immer wieder in immer gleicher Kleidung und Pose fotografierte und so seinen eigenen Alterungsprozess dokumentierte (Opałka 1965/1 – ∞ détail 2089549, détail 4382539 und détail 5433571, 1965).
Michael Asher (The Michael Asher lobby, 1983, und Installation Münster Skulptur.Projekte, 2007) kreierte in seinem ganzen Leben keine greifbaren künstlerischen Produkte im herkömmlichen Sinn. Ihm ging es immer wieder „nur“ um Orte, Räume und deren Geschichten, die er durch oft architektonische Eingriffe sichtbar machte. Donald Evans wiederum malte Zeit seines Lebens täuschend echte Briefmarken und schuf darin immer neue Traumwelten (Tropides Islands (a series of three stamps), 1977, und Sabot – poisonous mushrooms (a series of eight stamps), 1973). Evans konnte sein gesamtes OEuvre in einem Briefmarkenalbum, seinem Catalog of the world, mit sich herumtragen.
Äußerst konsequent ist auch die Haltung von On Kawara, dessen Werke sich über viele Jahre hinweg auf seinen Aufenthaltsort und seine Aktivitäten beziehen (I went I met I read journal 1969, 1999). Sein anderes großes künstlerisches Thema ist die Zeit (One million years, 1993–2010). Im Gegensatz dazu haben sich andere künstler wie Ian Wilson, Cady Noland oder Charlotte Posenenske zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden, einen ganz neuen Weg einzuschlagen: Ian Wilson, indem er seit 1968 – statt visuell erfassbare Kunstwerke zu schaffen – nur noch Diskussionen über Kunst führt; Charlotte Posenenske schuf zuerst Werkelemente, eine modulare Arbeit, die jeder nach seinem Willen zusammenfügen kann (Vierkantrohre Serie D, 1967–2017). In der Folge ging sie diesen partizipativen Weg noch weiter und zog sich vollständig aus der künstlerischen Produktion zurück, studierte Soziologie und arbeitete in sozialen Projekten. Cady Noland (Blank for a serial, 1989 und untitled, 1996) setzte sich nach dem abrupten Ende ihrer Tätigkeit als Künstlerin dafür ein, ihr Werk dem Kunstmarkt zu entziehen.
Der Künstler Daan van Golden wird allgemein als Popkünstler angesehen, doch auch bei ihm lässt sich eine ganz besondere Haltung erkennen: er bezog sich zeitlebens auf das Persönliche, seine Tochter und die Schönheit – das betrieb er mit einer erstaunlichen Konsequenz, die umwerfend ist: Jahr für Jahr werden die gleichen wenigen Motive sichtbar, selbst seine Ausstellungskataloge zitieren sich immer wieder selbst.
Andere Künstler stehen für eine Verweigerungshaltung: Beispielhaft dafür ist Piero Manzoni mit seiner Künstlerscheiße Merda d’artista (1963/2013) oder Michael Krebber, der bei seiner ersten Galerieausstellung keine eigene Arbeit zeigte, sondern unter anderem ein Interview, das Dan Graham mit Robert Smithson geführt hat (Dan Graham Interview, Noema, 1990).
Darüber hinaus zeigt die Ausstellung auch Haltungen wie die von Mason Williams, einem Jugendfreund von Ed Ruscha. Er sagt über sich selbst, dass er für genau zwei Jahre Konzeptkünstler gewesen sei. In dieser Zeit entwickelte er gemeinsam mit Ed Ruscha eine Reihe von Arbeiten, darunter die Kunstbücher Crackers und Royal Road Test. Zudem brachte er einen Greyhound Bus in Originalgröße auf Papier (Bus, 1967) und malte mithilfe von Himmelsschreibern eine mehrere Kilometer große Sonnenblume an den kalifornischen Himmel (Sunflower, 1967). Darüber hinaus war Williams gleichzeitig als Musiker sehr erfolgreich. Er schrieb 1968 den Welthit Classical Gas und genoss als TV-Autor großen Respekt. Während Ed Ruscha selbst immer bei sich blieb und von sich sagt „I still make the same stuff“ spricht Williams von einer Fülle von Haltungen, die er in seinem Leben angenommen habe.
Unsere Ausstellung umfasst überwiegend Positionen der ersten Generation von Konzeptkünstlern und nimmt sich vor, die unterschiedlichen Haltungen von Künstlern lediglich zu verdeutlichen und nicht zu bewerten. Es geht uns ausschließlich
darum, von diesen Haltungen und den sich daraus ableitenden Biografien zu lernen. Häufig werde ich nach unserem Sammlungskriterium gefragt – ich denke, die künstlerische Haltung ist das entscheidende für uns.
Axel Haubrok
Werkliste
Bas Jan Ader
Art & Project Bulletin #89, 1975
Bas Jan Ader
Art & Project Bulletin #44, 1971
Eleanor Antin
100 boots, 1971–73
Michael Asher
Installation Münster Skulptur.Projekte, 2007
Michael Asher
The Michael Asher Lobby, 1983
Stanley Brouwn
Ein Schritt, Filmsequenz aus Identifications / eine Ausstellung der Fernsehgalerie Gerry Schum, 1970
Mit freundlicher Genehmigung des SWR
Stanley Brouwn
This way Brouwn, 1964
Stanley Brouwn
This way Brouwn, 1962
Alan Charlton
Untitled tryptich, 1990
Donald Evans
Tropides islands (A series of three stamps), 1977
Donald Evans
Sabot – poisonous mushrooms (A series of eight stamps), 1973
Allan Kaprow
Satisfaction, 1976
Allan Kaprow
Eco-logy, 1975
Allan Kaprow
Rates of exchange, 1975
Allan Kaprow
Pose – carrying chairs through the city, sitting down here and there, photographed, pix left on spot, going on, 1969
Allan Kaprow
Record, 1968
Allan Kaprow
4 happenings, 1963
On Kawara
One million years, 1993–2010
On Kawara
I went I met I read journal 1969
1999
On Kawara
One million years, 1999
Michael Krebber
Dan Graham Interview NOEMA, Relikt aus der Vitrinenausstellung von Michael Krebber in der Galerie Nagel im Jahre 1990, 1990
Piero Manzoni
Merda D’Artista, 1963/2013
Jerry McMillan
Ed covered with 12 of his books, 1970
Jerry McMillan
Ed Ruscha with six of his books balanced on his head, 1970
Cady Noland
untitled, 1996
Cady Noland
Blank for a serial, 1989
Roman Opalka
Opalka 1965 / 1 – détail 2089549, 1965
Roman Opalka
Opalka 1965 / 1 – détail 4382539, 1965
Roman Opalka
Opalka 1965 / 1 – détail 5433571, 1965
Charlotte Posenenske
6 Vierkantrohre Serie D, 1967–2017
Charlotte Posenenske
10 Vierkantrohre Serie D, 1967–2017
courtesy Nachlass Charlotte Posenenske & Mehdi Chouakri, Berlin
Charlotte Posenenske
Art & Project Bulletin #1, 1968
Alexander Rischer
19 Orte, 2016
courtesy Galerie Adamski, Berlin
Ed Ruscha
Hard light, 1978
Ed Ruscha
Colored people, 1972
Ed Ruscha
A few palm trees, 1971
Ed Ruscha
Records, 1971
Ed Ruscha
Babycakes, 1970
Ed Ruscha
Real estate opportunities, 1970
Ed Ruscha
Business cards, 1968
Ed Ruscha
Nine swimming pools and broken glass, 1968
Ed Ruscha
Thirtyfour parking lots in L.A., 1967
Ed Ruscha
Every building on the Sunset Strip, 1966
Ed Ruscha
Some Los Angeles apartments, 1965
Ed Ruscha
Various small fires and milk, 1964
Ed Ruscha
Twentysix gasoline stations, 1963
Ed Ruscha & Mason Williams
Crackers, 1969
Ed Ruscha & Mason Williams
Royal road test, 1967
Daan van Golden
Heerenlux, 2015
Daan van Golden
untiteld (Edition Wiels), 2015
Daan van Golden
Nepal, 1983/2013
Daan van Golden
Art & Project Bulletin #155, 1989
Julian Wasser & Marcel Duchamp
Duchamp playing chess with a nude (Eve Babitz), 1963
Mason Williams
Them poems, 2000
Mason Williams
Flavors, 1970
Mason Williams
The Mason Williams F.C.C. rapport, 1969
Mason Williams
The Mason Williams reading matter, 1969
Mason Williams
Music (LP), 1968
Mason Williams
Pat Paulson for President, 1968
Mason Williams
Phonograph record (LP), 1968
Mason Williams
Boneless roast, 1967
Mason Williams
Bus, 1967
Mason Williams
Sunflower (Sunflower skywriter art concept Desert NW of Apple Valley, California – 7/11/67), 1967
Mason Williams
The night I lost my baby, 1966
Mason Williams
Tosadnessday, 1966
Mason Williams
Bicyclists dismount, 1964
Ian Wilson
The pure awareness of the absolute in art: A discussion. Ian Wilson at KW Institute for contemporary art, 2017
Ian Wilson
The pure awareness of the absolute in art: Discussions. Ian Wilson at dia:beacon, 2013
Ian Wilson
The pure awareness of the absolute in art: A discussion. Ian Wilson at the Haubrok collection, 2013
Ian Wilson
There was a discussion in Berlin, 2013
Ian Wilson
Ian Wilson at Museion, Bozen, 2008
Ian Wilson
Galerie Rolf Preisig, Basel, March 11 – 13, 1978, 1978
Ian Wilson
Galerie Rolf Preisig, Basel, May 2 – 4, 1976, 1976
Ian Wilson
John Weber Gallery, London, June 1 – 3, 1976, 1976
Ian Wilson
Galeria Toselli, Mailand, March 26, 1974, 1974
Ian Wilson
Galerie Rolf Preisig, Basel, September 20, 1974, 1974
Ian Wilson
John Weber Gallery, London, May 29, 1974, 1974
Ian Wilson
Jack Wendler Gallery, London, in der Galerie angekündigtes Thema, March 26, 1973, 1973
Ian Wilson
John Weber Gallery, March 18 & 20, 1973, Gian Enzo Sperone, 1973
Ian Wilson
Art & Project Bulletin #59, 1972
Ian Wilson
Galeria Toselli, Mailand, Ian Wilson, 1972
Ian Wilson
Jack Wendler Gallery, London, Ian Wilson, January 7 – 14, 1972, 1972
Ian Wilson
John Weber Gallery, Can something be „made“ clear?, May 25, 1972, 1972
Ian Wilson
Konrad Fischer, Düsseldorf, Ian Wilson ist da, January 25 – 27, 1972, 1972
Ian Wilson
Art & Project Bulletin #30, 1970
Ian Wilson
Circle on the floor, 1968