Ziel bei dieser Ausstellung ist es, mit Arbeiten aus der Sammlung die Reduktion auf das Minimale zu thematisieren. Es werden außerordentlich unterschiedliche Arbeiten gezeigt, die nur wenig mit dem klassischen Minimalismus zu tun haben, vielmehr spielerisch mit dem Thema umgehen und dabei die unterschiedlichsten künstlerischen Strategien verdeutlichen.
Eine Gruppe von Künstlern steht dabei für den formalen Aspekt der Reduktion. Tino Sehgal als herausragendes Beispiel vermeidet jede schriftliche Veröffentlichung zu seinen Werken. Abbildungen oder Dokumente über den Kauf und schriftliche Präsentationsanweisungen gibt es von ihnen nicht. Die Arbeit This is propaganda wurde unter anderem im Rahmen der Biennale di Venezia 2003 gezeigt. Formal mit dieser Radikalität vergleichbar ist die Arbeit Work no. 218: A sheet of paper crumpled into a ball von Martin Creed. Diese einfache Arbeit erklärt sich von selbst, aber sie ist durch die Grundsätzlichkeit ihrer Aussage sicherlich eine sehr bedeutende Arbeit.
Ebenso von grundsätzlicher Natur ist Circle on the floor von Ian Wilson aus dem Jahr 1968. Es ist die letzte Arbeit des Künstlers, die visuell als Kunstwerk greifbar ist. Für Wilson war damit ein Endpunkt der ständigen Suche nach noch mehr Abstraktion erreicht. In den darauf folgenden 40 Jahren hat Wilson nur noch öffentliche Diskussionen (als Kunstwerke) durchgeführt.
Haegue Yang hat bei ihren Illiterate leftovers leere Seiten an Freunde und bekannte gefaxt, die von denen wieder zurückgesendet wurden. Dieser Prozess wird nur sichtbar, da die Kennungszeilen des Faxens erhalten bleiben. Bei der Arbeit Whatever being A4 handelt es sich um eine einfache, aber sehr poetische Wandarbeit. Ein DIN A4 Blatt tritt aus der Wand und wird so zur Skulptur.
Von Jonathan Monk sind drei Arbeiten in der Ausstellung: Ein kleines von ihm gefundenes Foto eines Babys auf dem Töpfchen (A bit of matter and a little bit more), eine Postkarte mit Bleistiftstrich, die erst durch die Installationsanweisung ihren Sinn erhält (My height in HB pencil) und 10 Messingblöcke im Format bedeutender Künstler-Bücher: 4 Sol LeWitts, 3 Ed Ruschas, 2 Lawrence Weiners and a Robert Barry. Eine Zuordnung ist ohne die Originale nicht möglich.
Die Arbeit Installation shot, there is enough magnesium in the human body to take a photograph von Jan Timme passt aus zwei Gründen in die Ausstellung: Der erste ergibt sich aus dem Inhalt des Textes, der zweite daraus, dass zur Produktion des Fotos der Text auf der Ausstellungswand installiert, fotografiert und anschließend wieder entfernt wurde. Zu sehen ist nur das Foto der Wandarbeit.
Bei der Arbeit David Lieskes geht es um das weiche Licht, das durch das aufbringen von Buttermilch auf die Fensterscheibe in einem Raum erzeugt wird, eine Methode, die viele klassische Maler angewendet haben, um eine bestimmte Stimmung wiedergeben zu können. Das Gebrauchsbild von Karin Sander zeigt bei genauster Betrachtung minimale spuren von Feuchtigkeit. Es hing in den letzten Jahren in unserem Badezimmer.
Der Kalender von Andreas Slominski, eine Leihgabe von Ingeborg Winsowski, hat keine Blätter mehr und lässt so keine Schlüsse auf seine ursprüngliche Funktion zu. Gleichzeitig ist die Arbeit natürlich ein melancholischer Kommentar auf die Vergänglichkeit.
Michael Asher hat in den 1960er Jahren eine leere Galeriewand zur Arbeit erklärt, abfotografiert und im Katalog abgebildet. Die Wandarbeit von Scott Lyall, die in der Ausstellung zu sehen ist, ist die Reproduktion dieser weißen Katalogseite (wieder auf einer Galeriewand). Auf der ausgestellten Wandarbeit sind natürlich auch die Spuren der Zeit zu sehen. Eine zeitliche Verschiebung ganz anderer Art nimmt Jens Haaning vor. Seine Uhr Bagdad time geht zwei Stunden vor und versetzte uns so nach Bagdad.
Von Morgan Fisher, in den 1960er Jahren einer der wichtigsten strukturalistischen Filmemacher, zeigt ich einen Spiegel, dessen Seitenverhältnisse die des klassischen europäischen Spielfilms widerspiegelten: The aspect ratio pieces European Standard Widescreen 1.66:1 macht den Betrachter zum Akteur.
Ein Werkkomplex von Peter Piller besteht aus den sogenannten Bürozeichnungen mit denen er das tägliche Leben und die Gesprächsthemen seiner Mitarbeiter in einer Werbeagentur kommentiert. Für less habe ich die einzige Zeichnung ausgewählt, die keine Abbildung enthält. Der Text spricht für sich: Manche sagen, die Wohnung des Chefs sei ganz in weiß eingerichtet.
Axel Haubrok
Werkliste
Martin Creed
Work no. 218: A sheet of paper crumpled into a ball, 1999
Morgan Fisher
The aspect ratio pieces European Standard Widescreen 1.66:1, 2004
Jens Haaning
Bagdad time, 2005
David Lieske
Case arse (Neon), 2004
Scott Lyall
Pedagogical fidelity, 2004–2007
Jonathan Monk
4 Sol LeWitts, 3 Ed Ruschas, 2 Lawrence Weiners and a Robert Barry, 2007
Jonathan Monk
My height in HB pencil, 2002
Jonathan Monk
A bit of matter and a little bit more, Jahr unbekannt
Peter Piller
Man sagt, die Wohnung des Chefs sei ganz in weiß eingerichtet, 2000
Karin Sander
Schokoladenbild (Vorzugsausgabe für das Cahier 011), 2008
Karin Sander
Gebrauchsbild, 2005
Tino Sehgal
This is propaganda, 2001
Andreas Slominski
untitled, 1990
courtesy Ingeborg Wiensowski, Berlin
Jan Timme
There is enough magnesium in the human body to take a photograph (Installation shot), 2005
Ian Wilson
Circle on the floor, 1968
Haegue Yang
Whatever being A4, 2006
Haegue Yang
Illiterate leftovers, 2004