Rodney Graham, Two movements for prepared Cello (2010) (Film-Still)
Rodney Graham, Two movements for prepared Cello (2010) (Film-Still)
Rodney Graham, Two movements for prepared Cello (2010) (Film-Still)
Rodney Graham
Two movements for prepared Cello, 2010 (Film-Still)

Music

11.9. – 28.11.2015
FAHRBEREITSCHAFT, Berlin

Edgar Arceneaux, Phil Collins, Martin Creed, Marino Formenti, Isa Genzken, Rodney Graham, Tim Lee, Christian Marclay, Helmut Mark, Ari Benjamin Meyers, Jonathan Monk, Stephen Prina, Ed Ruscha, Santiago Sierra, Heimo Zobernig

Eröffnung: 10.9.2015, 18 – 21 Uhr
Berlin Art Week: 16.9.2015, 16 – 19 Uhr & 18. – 20.9.2015, 12 – 18 Uhr

Nachdem wir wenige Wochen zuvor im Theater Hau Hebbel am Ufer in Berlin eine Ausstellung zum Themenbereich Theater, Performance und Tanz durchgeführt haben, zeigen wir zur Berlin Art Week Arbeiten, die sich mit Musik befassen.

In den Unterständen der Freifläche im vorderen Teil der FAHRBEREITSCHAFT ist eine Arbeit von Santiago Sierra installiert. Die Nationalhymnen aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden gleichzeitig gespielt: Europe (national anthems of the 27 states of the European community played simultaneously and continuously) (2009). Eine Kakofonie, die den aktuellen Zustand der Gemeinschaft treffend beschreibt.

Im frisch renovierten Pförtnerhaus wird eine Videoarbeit von Rodney Graham, Two movements for prepared cello (2010), präsentiert, in der der Künstler seine Manschettenknöpfe im Cello sucht – sein Kommentar auf die Oben ohne Performances von Charlotte Moorman. Daneben steht eine Vitrine mit einem kleinen Büchlein von Ed Ruscha aus den Siebzigerjahren: Records (1971). Darin wird pro Doppelseite jeweils eine LP abgebildet: links das Plattencover, rechts die Platte selbst.

Einen ungewöhnlichen Umgang mit Schallplatten zeigt auch eine Arbeit von Christian Marclay, die wir nebenan installiert haben. Record without sleeve (1985) wird, wie der Name schon sagt, ohne Hülle geliefert und verkratzt natürlich im Laufe der Zeit. Die zweite Arbeit von ihm, Footsteps (1989), geht sogar noch weiter: Die LP liegt einfach auf dem Boden und darf betreten werden.

Im Nachbarzimmer fordert Tim Lee mit einer besonderen version der Goldbergvariationen von Bach die Besucher heraus (The Goldberg variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould), 1981): Er nahm die Noten, die die rechte und die linke Hand spielen, separat auf und ließ sie auf zwei getrennte Singles pressen. Es bleibt die Aufgabe des Besuchers, beide Hände mit Hilfe von zwei unabhängigen Plattenspielern wieder zusammenzuführen.

Stephen Prina untersucht mit seiner Arbeit das Klavierwerk von Arnold Schönberg in einer Interpretation von Glenn Gould (A structural analysis and reconstruction of Arnold Schoenberg, 1980). Die Vermessung der Schallplatte steht dabei auch für das Verhältnis zwischen Zeit und Raum.

In den unteren Räumen der Einsatzleitung befinden sich Platten-Cover, die Martin Creed bemalt hat. Ein Massenprodukt wird so zum Unikat und fordert zu einem entsprechend vorsichtigen Umgang auf.

Einen Höhepunkt unserer Ausstellung bilden neue Arbeiten von Marino Formenti. Er arbeitet seit Jahren konsequent an der Hinterfragung seines Metiers, der Musik. Von der Kritik als „Glenn Gould des 21. Jahrhunderts“ und in Konzertsälen in London, New York, Paris oder Wien gefeiert, schafft er immer neue Räume der Begegnung, in denen auch die klassische Hierarchie, die Trennung von Performer und Rezipient, aufgehoben wird. Er arbeitet sowohl im musikalischen Kontext als auch im Bereich der Kunst (Art Basel und MuMok Wien, 2011) oder im performativen Bereich (Berliner Festspiele, 2016). Marino Formenti sucht stets die Begegnung auf Augenhöhe, so auch in der FAHRBEREITSCHAFT.

Für die Räume in der Einsatzleitung hat er die Installation Selber Künstler #1 (2015) entwickelt. Grundlage für diese Installation sind klangliche Aufnahmen seiner Performance Seven studies of communication and musicianship, die er im Juli 2015 in der FAHRBEREITSCHAFT durchführte: Dafür traf er sieben ihm unbekannte Menschen, die vor Ort arbeiteten. Diese Begegnungen dauerten jeweils einen vollen Tag und waren geprägt von Gesprächen und gemeinsamem Musizieren. Die akustischen Ergebnisse dieser Zusammentreffen wurden zur Basis der Installation in den sieben Räumen der ersten Etage der Einsatzleitung. So ist ein Sound-Porträt der FAHRBEREITSCHAFT entstanden. Für die Performance One to one # 2 verbrachte Marino Formenti mit einem Piano elf Tage in der Garage 50 in der FAHRBEREITSCHAFT. Vom 10. bis zum 20. September 2015 wurde sie so zu einem öffentlichen und zugleich privaten Raum. Besucher wurden eingeladen, dem Künstler dort zu begegnen und Zeit im Dialog mit ihm zu verbringen.

Für das ehemalige Reifenlager im Erdgeschoss von Haus 12 haben wir Videos von Heimo Zobernig ausgewählt, die jeweils einen engen Bezug zur Musik haben. So spielt im Video 38 (1992) die Flötistin Birgit Bauer unter einem Pappkarton eine Stimme einer Fuge über die Töne a, c und h (ach). Der Titel des Videos steht für die Konfektiongröße der Flötistin.

Quasi als visualisiertes Motto unserer akustischen Ausstellung ist die Arbeit Ohr (1980/2004) von Isa Genzken im vorderen Treppenhaus von Haus 12 installiert.

Der Künstler Phil Collins hatte vor zehn Jahren einfache Leute in Bogotá, Kolumbien, eingeladen, das Album The world won’t listen (El mundo no escuchará) (2004) von The Smiths zu singen. Er sprach besonders die Schüchternen an, die Unzufriedenen und jeden, der eigentlich gern ein anderer sein wollte. Wir zeigen die Plakate, mit denen er die Sängerinnen und Sänger gesucht hatte, im Flur im ersten Stock.

In der angrenzenden Kantine ist eine Video-Installation von Edgar Arceneaux zu sehen. An arrangement without tormentors (2003/2004) ist eine schwarzweiße Doppel-Projektion von zwei Aufführungen der Komposition I want to dance des amerikanischen Konzeptkünstlers Charles Gaines, der gleichzeitig auch Lehrer von Edgar Arceneaux an der CalArts (California Institute of the Arts) war. In der linken Projektion ist Gaines selbst bei einer Aufführung während einer Ausstellungseröffnung in Los Angeles zu sehen. In der rechten führt die niederländische Pianistin Nora Mulder dasselbe Stück in Rotterdam auf.

Ari Benjamin Meyers hat im Kulturraum im zweiten Geschoss von Haus 12 die Arbeit The new empirical (840 Hz) (2013) installiert. Den Ausgangspunkt für die Arbeit bildete das Klavierstück Vexations von Erik Satie. Ein modifizierter Konzertflügel von 1893 wurde so von Meyers manipuliert, dass er lediglich eine Note, nämlich As-Dur (840 Hz) spielt. Das ist gleichzeitig die einzige Note, die nicht im Hauptthema des Stückes von Satie vorkommt. Die Arbeit Vexations 2 (2013) besteht aus 840 von Meyers handgeschriebenen und aus dem Gedächtnis angefertigten Kopien der eine Seite umfassenden Komposition von Satie.

Im hinteren Treppenhaus von Haus 12 ist die Arbeit My mother cleaning my father’s piano (2001) von Jonathan Monk aus dem Off zu hören. Der Titel beschreibt unprätentiös genau das, was zu hören ist und was Jonathan Monk aufgenommen hat. In den Gewölben des ehemaligen Weinkellers hämmert währenddessen Martin Creeds Soundarbeit Work no. 122: All the sounds on a drum machine (1995–2000). Eine Maschine, die normalerweise für Rhythmus sorgt, werkelt stoisch in einem eher unwirtlichen Umfeld vor sich hin.

Axel Haubrok

Tim Lee, The Goldberg Variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981) (2007)
Tim Lee, The Goldberg Variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981) (2007)
Tim Lee, The Goldberg Variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981) (2007)
Tim Lee
The Goldberg Variations
Aria, BMV 988, 1741
Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981), 2007
Links: Martin Creed, Work No. 1558 (2013); Rechts: Martin Creed, Work No. 1370 (2012)
Links: Martin Creed, Work No. 1558 (2013); Rechts: Martin Creed, Work No. 1370 (2012)
Links: Martin Creed, Work No. 1558 (2013); Rechts: Martin Creed, Work No. 1370 (2012)
Links: Martin Creed
Work No. 1558, 2013

Rechts: Martin Creed
Work No. 1370, 2012
Tim Lee, The Goldberg Variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981), Notenblatt (2007)
Tim Lee, The Goldberg Variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981), Notenblatt (2007)
Tim Lee, The Goldberg Variations, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981), Notenblatt (2007)
Tim Lee
The Goldberg Variations
Aria, BMV 988, 1741
Johann Sebastian Bach (Glenn Gould 1981)
Notenblatt, 2007
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti
Selber Künstler #1, 2015
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti
Selber Künstler #1, 2015
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti, Selber Künstler #1 (2015)
Marino Formenti
Selber Künstler #1, 2015
Music, Installationsansicht
Music, Installationsansicht
Music, Installationsansicht
Music
Installationsansicht
Phil Collins, El Karaoke de los Smith (2004)
Phil Collins, El Karaoke de los Smith (2004)
Phil Collins, El Karaoke de los Smith (2004)
Phil Collins
El Karaoke de los Smith, 2004
Martin Creed, Work No. 122 (1995–2000)
Martin Creed, Work No. 122 (1995–2000)
Martin Creed, Work No. 122 (1995–2000)
Martin Creed
Work No. 122, 1995–2000
Edgar Arceneaux, An Arrangement Without Tormentors (2003/2004)
Edgar Arceneaux, An Arrangement Without Tormentors (2003/2004)
Edgar Arceneaux, An Arrangement Without Tormentors (2003/2004)
Edgar Arceneaux
An Arrangement Without Tormentors, 2003/2004
Ari Benjamin Meyers, Vexations 2 (2013)
Ari Benjamin Meyers, Vexations 2 (2013)
Ari Benjamin Meyers, Vexations 2 (2013)
Ari Benjamin Meyers
Vexations 2, 2013

Werkliste

Edgar Arceneaux
An arrangement without tormentors, 2003–2004

Phil Collins
El Karaoke de Los Smiths (El mundo no escuchará), 2004

Phil Collins
El Karaoke de Los Smiths (Hang the DJ), 2004

Phil Collins
El Karaoke de Los Smiths (Pero no ovides las canciones), 2004

Martin Creed
Work no. 1558, 2013

Martin Creed
Work no. 1370: Chicago, 2012

Martin Creed
Work no. 122: All the sounds on a drum machine, 1995–2000

Marino Formenti
One to one #2, 2015

Marino Formenti
selber Künstler #1, 2015

Isa Genzken
Ohr, 1980/2004

Isa Genzken
Mutzi, 1992

Rodney Graham
Two movements for prepared Cello, 2010

Tim Lee
The Goldberg Variation, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould, 1981) sheet music, 2007

Tim Lee
The Goldberg Variation, Aria, BMV 988, 1741, Johann Sebastian Bach (Glenn Gould, 1981) performance, 2007

Christian Marclay
Footsteps, 1989

Christian Marclay
Record without sleeve, 1985

Helmut Mark & Heimo Zobernig
Heimat, 1985/87

Ari Benjamin Meyers
The new empirical (840hz), 2013
Courtesy Esther Schipper, Berlin

Ari Benjamin Meyers
Vexations 2, 2013
Courtesy Esther Schipper, Berlin

Jonathan Monk
My mother cleaning my father’s piano, 2001

Stephen Prina
A structural analysis and reconstruction of Arnold Schoenberg: The complete music for solo piano, Glenn Gould, as determined by the difference between the measurements of duration and displacement, 1980

Ed Ruscha
Records, 1971

Santiago Sierra
Europe (National anthems of the 27 states of the European community played simultaneously and continuously), 2009

Heimo Zobernig
eS C H EIS Es, 1993

Heimo Zobernig
38, 1992