Was ist ein Foto? Wo liegen die Grenzen der Fotografie, zwischen Foto und Video? Welchen Einfluss haben die technischen Produktionsbedingungen, welchen das Trägermedium? Was kann mit Manipulation erreicht werden?
Das sind die Fragen mit denen sich unsere Ausstellung Objektiv auseinandersetzt.
Cerith Wyn Evans geht in seinem Wandtext With the advent of radio astronomy… (Clear) auf die Interpretation des Unerklärlichen ein. Es ist nicht immer die große Unbekannte. Ursachen können ganz einfach auch Unzulänglichkeiten sein.
Wolfgang Tillmans dreht den Spieß um. Seine Saros-Wand greift Aspekte einer Sonnenfinsternis auf. Allerdings geht es nicht um die reine Dokumentation, vielmehr bleibt bewusst unklar, welche der Aufnahmen tatsächlich bei dem Naturereignis entstanden sind, und was Fake ist.
Bei den anderen Tillmans-Arbeiten (
Parkett Edition (1992–98) 1998-018-04, 1998-018-18 und 1998-018-35) wird der Fehler sogar zur Ikone erhoben. Bei diesen frühen Fotos handelt es sich um Fehlbelichtungen, die zu ganz eigenen Ergebnissen führen. Die Einmaligkeit solcher Fehler führt natürlich dazu, dass ein Foto, von dem es normalerweise eine Auflage gibt, zum Unikat wird.
Violetta von David Claerbout scheint sich nicht zu bewegen. Ist es ein Videostill? Bei längerer Beobachtung stellt man fest, dass sich Violettas Haare ein wenig bewegen – entweder weil man es sieht oder weil man es am eigenen Körper erfährt.
Das eingefrorene Videobild wurde von Andy Warhol bereits in den 1960er Jahren in den Mittelpunkt einer Arbeit gestellt. Er filmte das Empire State Building über mehrere Stunden hinweg. Douglas Gordon hat in Bootleg (Empire) nun wiederum Anfang und Ende einer Vorführung dieses Warhol Films in Berlin aufgenommen, allerdings wird bei ihm daraus bewusst eine unvollkommene Kopie, bei der die Produktionsbedingungen deutliche Spuren hinterlassen haben.
Morgan Fisher hat für seine The Italian paintings „Roma e Dintorni“ Reiseführer auf Standard Kodak Fotopapier gelegt. Die durch die sonne entstehende Belichtung führte auf dem Papier zu einer Form, die später in Shaped-Canvas-Malerei umgesetzt wurde.
Photogenic drawings (3. series from U.S. camera, 1954), die andere Werkgruppe von Morgan Fisher besteht aus durchgepausten Kodak-Anzeigen, die in Fotomagazinen erschienen sind. Es handelt sich also um die Übertragung von Anzeigen, die sich mit der Entstehung von Fotos auseinandersetzen, in ein völlig anderes Medium: die Zeichnung.
Christopher Williams hat eines seiner wichtigsten „Foto“-Motive, die „Kiev Camera“ in ein Plakat übersetzt und dabei die beweglichen Teile ausgespart (
332 min 17 sec). Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Rückseite des Plakates. Was liegt näher als die „Doppel-Edition“ auf beiden Seiten einer freistehenden Wand so positionieren, dass sich die Aussparungen gegenüberliegen?
Jeroen de Rijke und Willem de Rooij haben eines ihrer Blumenbouquets in schwarz-weiß Abfotografiert und die Blüten anschließend nach der Helligkeit sortiert (
Greyscale (Bouquet VI)).
Karthik Pandian und Mathias Poledna filmten ein Model mit einer professionellen 35mm-Kamera, sie isolierten die einzelnen Frames einer Sekunde dieses Filmes, um diese dann wie ein Dia zu behandeln. An jedem Ausstellungstag wird immer nur ein Frame von 1991 gezeigt. Erst nach 24 Tagen ist die Sekunde verstrichen.
Das Motiv der Einladung, eine Edition von Cerith Wyn Evans lässt letztlich vollkommen offen, was sie darstellt und wie sie entstanden ist, obwohl sie ganz offensichtlich nicht manipuliert wurde.
Axel Haubrok
Werkliste
David Claerbout
Violetta, 2001
Jeroen de Rijke & Willem de Rooij
Greyscale (Bouquet VI), 2005
Cerith Wyn Evans
With the advent of radio astronomy… (Clear), 2010
Cerith Wyn Evans
Something like a picture (For Gustav), 2009
Morgan Fisher
Photogenic drawings (3. series from U.S. camera, 1954), 2002
Morgan Fisher
The Italian paintings „Roma e Dintorni“, 1999
Douglas Gordon
Bootleg (Empire), 1998
Karthik Pandian & Mathias Poledna
1991, 2010
Peter Piller
Aus „A40 Dükerweg“, 2010
Wolfgang Tillmans
Saros, 1999
Wolfgang Tillmans
Parkett Edition (1992–98) 1998-018-04, 1998
Wolfgang Tillmans
Parkett Edition (1992–98) 1998-018-18, 1998
Wolfgang Tillmans
Parkett Edition (1992–98) 1998-018-35, 1998
Christopher Williams
332 min 17 sec, 2004