Anlässlich des 20. Todestages von Martin Kippenberger am 7. März 2017 zeigen wir den Film Für Martin Kippenberger (1997) von Heimo Zobernig in der Garage 50.
Aus tiefer persönlicher Betroffenheit über den Tod seines Freundes, des Künstlers Martin Kippenberger, am 7. März 1997, entstand ein Video, das für Heimo Zobernig ungewöhnlich emotional ist. Er entwickelte es anknüpfend, beziehungsweise in Abänderung eines Video-Projekts, das er als seinen Beitrag zu einer gemeinsamen Ausstellung mit Martin Kippenberger und Hans Weigand im Trabant, einer wiener Szene-Bar mit Galeriebetrieb, geplant hatte. Weil es sich bei dieser Ausstellung um ein Projekt von drei Männern hätte handeln sollen, wollte Zobernig ursprünglich in launiger Weise Machismo und Political Incorrectness paraphrasieren. In Anspielung an seinen eigenen Part als „Dritter Mann“ dieses Unterfangens sollte dabei die Kennmelodie aus Carol Reeds berühmtem gleichnamigen Film von 1949 eine Rolle spielen. Nach dem Tod von Martin Kippenberger verlagerte sich der Part des „Dritten Mannes“ auf den nicht mehr anwesenden Freund. Die Tatsache, dass Carol Reeds Film mit einem Begräbnis beginnt, wurde mitentscheidend für Zobernigs Entschluss, diesen in die Videoaufnahmen von Kippenbergers Begräbnis zu integrieren.
Das video Für Martin Kippenberger (1997) besteht damit aus zwei exakt gleich langen Teilen: Der erste konfrontiert den Zuschauer zunächst mit einer monochrom grünen Fläche. Danach sieht man Hans Weigand, Heimo Zobernig und andere Musiker mit Gitarren sowie Franz Pomassl am Mischpult in einem Aufnahmestudio. Zobernig trägt eine Maske, die Männlichkeits- wie Weiblichkeitsmerkmale übersteigert: eine blonde Langhaarperücke, einen „Schnorz“ (eine Brille mit dicker Nase und Schnauzbart) sowie aufgeklebte und durch gelbe Post-Its nochmals verlängerte Augenbrauen. Weigand entwickelt auf der Gitarre die „Dritte Mann“-Kennmelodie und wird dabei von den anderen begleitet. In diese Aufnahmen wurden im Rahmen von Franz Pomassls Sound-Produktion Texte montiert, die Zobernig geschrieben hatte und selbst im Sprechgesang vorträgt. Es sind melancholische Sätze wie „ich stehe auf der Brücke und schaue in das schmutzige Wasser“ oder „where everything is bad it must be good to know the worst“ – ein Zitat nach F. H. Bradley, das einem Kapitel in Theodor W. Adornos Minima moralia (zweiter Teil, 1945) als Motto vorangestellt ist.
Der zweite Teil des Videos zeigt Aufnahmen, die Zobernig bei Kippenbergers Beerdigung mit einer unterm Arm eingeklemmten Kamera gemacht hat. Man sieht den von glockengeläut begleiteten Trauerzug auf dem Weg zum Grab. Dort hält Karel Schampers, Kurator am Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam, in dem gerade noch Kippenbergers letzte zu Lebzeiten eingerichtete Ausstellung lief, eine Rede. Der Film endet mit einem Schwenk auf den mit Erde und Blumen bedeckten Sarg im Grab. Für die Vorführung dieses Videos hat Zobernig spezielle Auflagen festgelegt: Es muss auf großer Leinwand sowie – den musikalischen Intentionen von Pomassls Sound-Produktion entsprechend – mit sehr lautem Ton projiziert werden. Das Publikum soll stehen.
Axel Haubrok / Heimo Zobernig
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Heimo Zobernig
Für Martin Kippenberger, 1997